Leben im jüdischen Altersheim La Charmille in Riehen (1947–2001)
La Charmille war mehr als ein Altersheim – es war ein Zufluchtsort, eine Schicksalsgemeinschaft und ein Ort jüdischer Kultur. Das Heim fand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Riehen ein neues Zuhause und war europaweit eine der wenigen Einrichtungen für Menschen jüdischen Glaubens. 1947 in Riehen eröffnet, wurde es 2002 nach Basel verlegt und als interreligiöses Alterszentrum Holbeinhof neu eröffnet, die Gebäude in Riehen wichen 2004 einer Wohnüberbauung.
Mit seiner besonderen geografischen Lage am Rande der Schweiz, unmittelbar zur deutschen Grenze gelegen, war «La Charmille» eine der wenigen jüdischen Einrichtungen dieser Art in der Schweiz und im weiteren europäischen Umfeld. Das Heim nahm Menschen aus vielen Ländern und unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten auf, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Heimat suchten. Viele der ersten Bewohnerinnen und Bewohner waren Überlebende des Holocausts. «La Charmille» bot ihnen Sicherheit und die Möglichkeit, jüdische Traditionen und Riten zu leben.
Im Laufe der Jahre wurde «La Charmille» zu einem Begegnungsraum, dessen Ruf über die Landesgrenzen hinausstrahlte. Einige Bewohnerinnen und Bewohner waren bekannte Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft. So verbrachten die Schauspielerin Betty Isolani-Perl, deren Tochter und Schriftstellerin Gertrud Isolani, die Historikerin Selma Stern und der Schriftsteller Hermann Kesten ihren Lebensabend in der «La Charmille».
Die Erschliessung der Geschichte des Heims wurde von den Geschwistern Steffi und Peter Bollag, die als Kinder des Koches auf dem Areal aufwuchsen, angestossen. Im Rahmen eines Forschungsseminars von Erik Petry, stellvertretender Leiter des Zentrums für Jüdische Studien der Universität Basel, führten Studierende Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und durchforsteten Archive. Die Ausstellung im MUKS greift unter anderem auf diese Biografien zurück, die von tragischen Wendungen des Lebens, von Flucht und Ankommen erzählen.
Die Ausstellung und eine gleichnamige Publikation beleuchten einen einzigartigen Mikrokosmos im Weltgeschehen und erzählen vom Alltag in einem Altersheim und der Resilienz der Menschen in «La Charmille».